Aus dem Leben eines Vielfliegers

Ein Bericht von Philip Sager

Meine erste Reaktion auf die Ausgangsbeschränkungen Mitte März war tatsächlich: „Na toll – meine ganzen Flüge, mein Urlaub!“. Keine Spur von Angst um den Job oder mein Leben, aber Angst, den Frequent Traveller Status nicht verlängern zu können – verrückt, aber als jemand, der in der Luftfahrt arbeitet und schon einige Krisen miterlebt hat, war das eben mein erster Gedanke. Bis heute bin ich 538 Mal als Passagier geflogen. Dabei habe ich rund 1050 Stunden in der Luft verbracht und bin dabei über 700.000 Kilometer weit gereist. Seit ein paar Jahren bin ich Frequent Traveller bei Miles&More und in einem normalen Jahr fliege ich etwa 40 Legs, etwa die Hälfte davon beruflich. Mein stärkstes Jahr war 2017 mit 84 Flügen.

Ich bin Ingenieur für Maschinenbau und arbeite seit 2004 in der Luftfahrt, aktuell als Repräsentant für CFM (Safran Aircraft Engines). Unsere Branche ist leider immer eine der Ersten, die eine Krise zu spüren bekommen. Die Covid-19 Krise hat die Commercial Aviation sofort lahmgelegt, innerhalb von wenigen Tagen war klar, dass die Flugzeuge so schnell nicht wieder abheben werden. Stress machte sich breit, alle Airlines haben sich plötzlich mit den Manuals zu „Parking and Storage“ beschäftigt, notwendige Materialien wurden gekauft, passende Parkplätze gesucht, Leute nach Hause geschickt.

Die AUA hat den regulären Flugbetrieb komplett eingestellt – das gab es so noch nie. In Frankfurt wurde eine Piste gesperrt, damit die Lufthansa ihre Flugzeuge dort parken kann. Boeing und Airbus haben ihre Produktionsraten heruntergefahren, ebenso wir als Zulieferer. Die Luftfahrtzulieferer treffen Krisen deshalb sofort und schwer, da hier kaum gelagert wird – alles wird just in time hergestellt/geliefert. Die Lagerkosten sind einfach zu hoch, sei es, weil ein Flugzeug sehr groß ist oder weil die Teile einfach sehr teuer sind (und man nicht Millionen an Dollars als totes Kapital im Lager liegen haben möchte). Airlines spüren die Krise auch deshalb besonders, da die bereits verkauften Tickets nicht geflogen werden können und rückerstattet werden müssen (zumindest innerhalb der EU). Plus: die Leute buchen keine Flüge mehr. Das heißt den Airlines entgeht der Umsatz schlagartig und sie müssen auch noch Tickets erstatten (die LH Group hatte rund 36 Millionen offene Tickets als die Krise kam). Das kann sich keine Airline lange leisten.

Für mich persönlich hat sich in der ersten Woche nur der Ort geändert – plötzlich nicht mehr im Büro am Flughafen Wien, sondern zuhause. No big deal, Homeoffice ist nichts Ungewöhnliches für mich. Dann, nach der ersten Woche, ist die Arbeit komplett eingebrochen. Nachdem die meisten meiner 14 Kunden ihre Flugzeuge geparkt haben gab es natürlich auch keine Probleme mehr, keine Fragen. Ich hatte plötzlich nichts mehr zu tun.

Und damit kamen wieder die privaten Pläne auf den Schirm, meine geplanten Flüge für 2020. Ich habe aktuell 9 private Flüge gebucht, die ich nicht wahrnehmen werde. Dazu kommen einige beruflich geplante, die ich nun verschieben werde. Das tut doppelt weh, dass Urlaub flachfällt, weil ich mich auch schon sehr auf die Flüge an sich gefreut habe. Als Vielflieger sind die für mich schon Teil des Urlaubs – das ist nicht bloß von A nach B kommen. Mir ist das Produkt der Airline sehr wichtig, ich überlege mir bei jedem Flug genau, welche Airline und welches Produkt ich buche.

„Erschwerend“ kommt für mich dazu: ich war es als ehemaliger direkter Airline Mitarbeiter gewöhnt, in einem großen Netzwerk von Airlines günstig auf der Langstrecke Business Class fliegen zu können, und an diesen Komfort gewöhnt man sich (leider). Die Herausforderung war also möglichst günstig möglichst gut zu fliegen. Natürlich innerhalb der Star Alliance, damit die Flüge für den Statuserhalt gelten. Der Plan heuer war mal wieder Florida, erst Key West (mein favorite place to be!) und dann ein paar Tage nach Fort Myers.

Mein Plan war eine günstige Buchungsklasse in Premium Eco in die USA und in einer „Meilenupgradefähigen“ Buchungsklasse zurück – um dieses Ticket mit Meilen in die Business upzugraden. Nach etlichen Stunden des Suchens und Vergleichens stand das Routing fest: VIE-FRA mit OS, FRA-MIA mit LH, MIA-EYW mit AA (leider nicht Star Alliance) und retour MIA-ZRH mit LX, ZRH-FRA mit LH und FRAU-VIE mit OS. Natürlich wäre mir direkt über FRA nach Hause lieber gewesen, aber die Swiss war tatsächlich über Zürich günstiger – und ich kann zwei Lounges mehr besuchen und habe einen Flug mehr am Konto. Die Zubringer habe ich in der günstigsten Eco (+Gepäck) gebucht und den Flug FRA-MIA in der günstigsten Premium Eco. In der LH A380 Premium Eco ist der meiner Meinung nach beste Platz 52D – der ist sozusagen unter der Stiege am unteren Deck, vor sich hat man: nichts. Mehr Beinfreiheit geht nicht.

Zurück war der Plan eine höhere Buchungsklasse in Premium Eco zu buchen und dann mit Meilen in die Business upzugraden. Während der Buchung kam dann der Oberhammer: die Business in der Swiss war nur 150 Euro teurer als die Premium Eco bei LH! Somit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Langstreckenflug in C fest gebucht. Ein Erlebnis an sich – und die Vorfreude auf die wirklich schicke Businesskabine der Swiss B777 war riesig. Plus: Swiss hat eine Arrival Lounge in Zürich, die wollte ich unbedingt testen. Und am Rückweg in Frankfurt wieder in die Lounge. In Summe wären es also 7 Flüge und 7 Lounge Besuche innerhalb eines Urlaubs gewesen. Wie schon erwähnt, für mich ist das an sich schon eine riesen Freude, auch ohne den eigentlichen Urlaubsaufenthalt. Und jetzt ist das Geld erst mal weg und der Urlaub ist geplatzt. Aber ich bin mir relativ sicher, dass die LH Group die Krise überstehen wird und meine Tickets somit nicht verloren gehen. Ich habe die Flüge online storniert und sozusagen jetzt diese Strecke als Guthaben bei der LH Group. Das Problem dabei ist: selbst wenn ich sage, ich fliege nächstes Jahr den gleichen Trip, weiß niemand, ob die Flüge nächstes Jahr so stattfinden, ob die Routen bleiben, und ob der Ticketpreis nicht massiv ansteigt. Denn dann muss ich natürlich aufzahlen – und das versaut dann irgendwie schon wieder die ganze Freude an dem ehemals wirklich guten Deal.

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Aber, um das klarzustellen – das sind natürlich Luxusprobleme. In Zeiten wie diesen geht es für viele um die Existenz, da ist der geplatzte Urlaub das geringste Problem. Mittlerweile bin ich auf Kurzarbeit, meine Kollegen im Head Office in Frankreich sind teilweise mit 0% Kurzarbeit zu Hause. Niemandem ist klar, wann und wie wieder Normalität einkehren wird. In diesem Sinne hoffe ich, es geht euch gut – stay safe!

Dieser Beitrag wurde auch in unserer Mitgliederzeitschrift Approach veröffentlicht. 

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