Die Kunst des Aviation Marketings

Wie gelingt es in wirtschaftlich schweren Zeiten neue Airlines für den Flughafen Wien zu akquirieren? APPROACH sprach mit Belina Neumann (Leiterin Abteilung Aviation Marketing & Business Development) über die Kunst des Aviation Marketings und welche neue Langstreckendestinationen, für den Flughafen Wien von Interesse sein könnten?

APPROACH:
Frau Neumann, Sie sind die Leiterin der Abteilung Aviation Marketing & Business Development am Flughafen Wien. Können Sie unseren Lesern erklären, welche Aufgaben ihr Bereich umfasst?

Belina Neumann:
Die Abteilung Aviation Marketing & Business Development beschäftigt sich mit den Themen Tarife, Statistik, Marktforschung, Marktkommunikation, Market Development, Streckenentwicklung sowie mit der Betreuung bestehender Airlines sowie der Gewinnung neuer Airlines. Daraus ergeben sich Aufgaben, die sehr abwechslungsreich sind und selten Routine aufkommen lassen, da die Luftfahrt ein sehr spannendes Geschäft ist, das sehr rasch auf äußerliche Faktoren reagiert.

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Ein 12-köpfiges Team rund um Belina Neumann sorgt für die Betreuung der Airlines (Fotos: Flughafen Wien)

Ein 12-köpfiges Team rund um Belina Neumann sorgt für die Betreuung der Airlines (Fotos: Flughafen Wien)

APPROACH:
In den letzten Monaten ist es Ihnen und Ihrem Team trotz schwacher Wirtschaftslage gelungen, neue Airlines nach Wien zu bringen. Wie lange dauert es im Durchschnitt von der ersten Kontaktaufnahme mit einer Fluggesellschaft, bis zum Erstflug?

Belina Neumann:
Auf diese Frage gibt es keine Pauschalantwort, jede Airline arbeitet individuell und kein Fall gleicht dem anderen. Das Geschäftsmodell der Airline oder etwa die Komplexität des Business Cases aber auch externe Faktoren bestimmen den Zeitplan.

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APPROACH:
Wie darf sich der Laie die Anwerbung einer Fluggesellschaft vorstellen?
Treten die Airlines an den Flughafen Wien heran und erklären die Absicht Flüge aufnehmen, oder müssen Sie um die Aufnahme von Verbindungen aktiv werben?

Belina Neumann:
Grundsätzlich tritt der Flughafen an die Airline heran. Wir sind auf den wichtigsten Konferenzen vertreten, um auf die Vorzüge VIEs hinzuweisen, unsere Kundenbeziehungen kontinuierlich zu pflegen und mit den Airlines über potenzielle Destinationen oder Kapazitätserweiterungen zu sprechen oder diskutieren bei Headquarterbesuchen zukünftiges Potenzial. Wir suchen immer nach neuem Geschäft und versuchen stetig, unser Streckennetz zu erweitern.

APPROACH:
Mit welchen Argumenten wirbt die Flughafen Wien AG um seine Kunden?
Zählen so bekannte Fakten wie, kurze Umsteigezeiten, gute Infrastruktur, oder im Herzen Europas gelegen denn noch als Verkaufsargument?

Belina Neumann:
Das Hauptargument besteht darin, dass es in Wien einen Markt gibt, der für Airlines relevant ist. Wien hat als Destination einiges zu bieten, ob im Leisure Bereich oder aber auch im Business Verkehr. Wien ist seit Jahren eine sehr wichtige Kongressstadt, was natürlich als Indiz für potenziellen Geschäftsreiseverkehr gilt. Für die Förderung des Umsteigeverkehrs sind Argumente wie kurze Umsteigezeiten und Infrastruktur auch von Bedeutung, aber selbstverständlich auch das Destinationsangebot der Partnerairline hier in Wien, um Strecken gegenseitig füllen (oder „besser auslasten“) zu können.

APPROACH:
Inwieweit spielt der Wien-Tourismus hier ein Rolle? Haben Sie Informationen darüber, wie viele Passagiere aus beruflichen oder touristischen Gründen nach, oder ab Wien fliegen?

Belina Neumann:
Mit dem Wien Tourismus verbindet uns ein gemeinsames Ziel, nämlich Passagiere/Gäste nach Wien zu bekommen. Wir arbeiten also eng zusammen, tauschen uns regelmäßig aus, stellen Kontakte her und unterstützen uns wechselseitig mit Informationen. Ca. 40 % der Passagiere am Flughafen Wien reisen aus beruflichen Gründen, 60 % aus privaten Gründen.

APPROACH:
Bekommen Fluggesellschaften, die sich dazu entschlossen haben die Destination Wien in ihr Streckennetz aufzunehmen, einen Bonus bei Landegebühren & Abfertigungskosten gewährt?

Belina Neumann:
Der Flughafen Wien bietet seinen Airlines ein Incentive Programm, welches unsere Kernstrategien unterstützt und sowohl neue Destinationen weltweit sowie Frequenzerhöhungen auf der Langstrecke und nach Osteuropa fördert.

APPROACH:
Der Flughafen Wien liegt im Dreiländereck Österreich, Ungarn, Slowakei.
Haben Sie eine Information darüber, wie viele Passagiere jährlich aus den genannten Ländern den Flughafen Wien nutzen?

Belina Neumann:
Wir haben bereits eine beachtliche Anzahl an Passagieren aus den angrenzenden Ländern und sind dort auch immer wieder auf Ferienmessen oder bei anderen Gelegenheiten präsent, um auf die Vorteile unseres Flughafens und unserer Fluglinien hinzuweisen. Insgesamt umfasst unser Einzugsgebiet einen potenziellen Markt von rund 12 Mio. Menschen innerhalb von 2 Stunden Fahrzeit, hier gibt es noch gutes Potenzial.

Aufgrund des dortigen mangelnden Angebotes, kommen immer Gäste aus den östlichen Nachbarländern nach Wien (Foto: M. Dichler)

Aufgrund des dortigen mangelnden Angebotes, kommen immer Gäste aus den östlichen Nachbarländern nach Wien (Foto: M. Dichler)

APPROACH:
Austrian Airlines ist weiterhin der wichtigste Kunde (Passagiere in %) für den Flughafen Wien. Wie sieht hier das Ranking der anderen Airlines aus und hat sich der Anteil des Low Cost Verkehrs, in Relation zu den vergangenen Jahren wieder verkleinert?

Belina Neumann:
Das so genannte Low Cost Segment bewerten wir insofern nicht so detailliert, da sich die Geschäftsmodelle der Airlines in den letzten Jahren stark verändert haben. Als klassischer Low Cost Carrier kann hier in Wien eigentlich nur EasyJet gesehen werden, denn Airlines wie zum Beispiel Germanwings aus dem Lufthansaverbund mit anrechenbaren Meilen bei Miles & More haben mit einem ursprünglichen Low Cost Modell wenig zu tun.

APPROACH:
Ryanair verkehrt ab dem nahen Flughafen Bratislava, hat aber erst kürzlich erklärt, sich vermehrt auf die Nutzung von zentralen Flughäfen konzentrieren zu wollen. Gab oder gibt es einen hier einen regelmäßigen Kontakt zwischen Ihnen und der Fluggesellschaft, oder sind die Forderungen der Airline (Förderungen) von Haus aus unrealistisch?

Belina Neumann:
Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Gespräche mit Ryanair, so wie wir auch mit anderen Fluglinien regelmäßig Kontakt haben. Bisher passen die Geschäftsmodelle unser beider Unternehmen allerdings nicht zusammen.

APPROACH:
Flughafen Wien Vorstand Mag. Julian Jäger hat schon bei seiner Antrittsrede von der Notwendigkeit gesprochen, neue Fluggesellschaften, die Langstreckenverbindungen ab Wien anbieten, ins Boot zu holen. Angenommen Sie dürften sich einige neue Langstreckenverbindungen aussuchen, wohin sollten die Flüge ihrer Meinung nach gehen?

Belina Neumann:
Wir sind sehr froh über die neuen Verbindungen von Austrian Airlines sowohl nach Chicago seit Mai 2013 als auch über die Aufnahme der Strecke nach Newark, da wir Nordamerika für einen wichtigen Markt halten. Weitere Verbindungen nach Asien wären ebenfalls eine sinnvolle Erweiterung unseres Streckennetzes.

Die Austrian Airlines ist und bleibt der wichtigste Partner des Flughafen Wien (Foto: M. Dichler)

Die Austrian Airlines ist und bleibt der wichtigste Partner des Flughafen Wien (Foto: M. Dichler)

APPROACH:
Gibt es den Gespräche mit potentiellen Partnern und wie realistisch war im vergangenen Sommer das halb offizielle Gerücht, einer zusätzlichen Bangkok Verbindung mit THAI?

Belina Neumann:
Gespräche mit potenziellen Partnern finden regelmäßig statt, das gehört zu unserer täglichen Arbeit. Es gab auch Gespräche mit Thai, aber wie auch bei unseren anderen Airlines, behandeln wir solche Gespräche vertraulich.

APPROACH:
Es wird auch immer wieder damit spekuliert, dass amerikanische Fluggesellschaften nach Wien kommen könnten. Bietet der Flughafen Wien den Airlines hier zu wenig Passagierpotential, oder wie erklären Sie sich das anscheinende Desinteresse der nordamerikanischen Airlines?

Belina Neumann:
Von zu wenig Passagierpotenzial kann nicht die Rede sein, sonst hätte OS nicht gleich 2 Destinationen in Nordamerika in ihr Streckennetz aufgenommen. Betrachtet man den US amerikanischen Markt hat sich in Bezug auf die Airlines so viel getan, dass schlussendlich nach einigen Mergern Mega-Airlines entstanden sind. Diese Merger und das Streben nach finanziellem Erfolg erfordern sehr viel Energie und haben natürlich auch Einfluss auf die Streckenplanung einer Fluglinie. Die Aufnahme einer Langstreckenverbindung und auch die Erschließung eines neuen Marktes verlangen einen hohen Einsatz und bergen auch ein gewisses Risiko.

APPROACH:
Erst kürzlich war zu lesen, dass ROYAL JORDANIAN Airlines überlegt wie bereits vor 20 Jahren, Flüge in die USA via Wien anzubieten. Gespräche um Streckenrechte laufen angeblich bereits mit dem Verkehrsministerium. Wie realistisch halten Sie die Umsetzung dieser Pläne?

Belina Neumann:
Wie Sie erwähnt haben, hat Royal Jordanien Interesse bekundet und steht mit dem BMVIT bez. der Verkehrsrechte in Kontakt. Konkretere Details gibt es allerdings noch nicht.

Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen und Ihren Team viel Erfolg beim Akquirieren neuer Fluggesellschaften.
Wir würden uns freuen, Sie als Gast an einem unserer Vereinsabende begrüßen zu dürfen, um mehr über Ihre Tätigkeiten zu erfahren!

Martin Dichler

 

 

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