Der Flughafen von Plovdiv (Bulgarien) hat etwas, wovon andere europäische Flughäfen nur träumen können.
Er besitzt einen neu errichteten modernen Terminal mit einer Kapazität von 500.000 Passagieren, eine Infrastruktur die dem neuesten Stand der Technik entspricht und ein großzügiges Vorfeld, welches bis zu 14 Flugzeugen gleichzeitig Platz bietet.
Das einzige was dem Flughafen zum glücklich sein fehlt, sind Passagiere die den Terminal im Sommer mit Leben füllen!
Plovdiv ist mit 376.048 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Bulgariens und liegt nur 130km südlich der Hauptstadt Sofia.
Mit ihrer mehr als achttausendjährigen Geschichte ist die Stadt älter als Rom, Athen oder Karthago und kann dementsprechend auf viele historische Bauten verweisen. Die Altstadt umfasst drei Hügel und zieht Besucher aus der ganzen Welt an.
Das Antiketheater (ein ausgezeichnet erhaltenes römisches Theater), auf dessen Open Air Bühne immer noch Konzerte und Theateraufführungen stattfinden, sowie die Dzumaja Moschee aus dem 1400 Jahrhundert, zählen zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Diese zeigt aber auch ihr modernes Gesicht, Plovdiv ist international als Messestadt bekannt.
Zusätzlich liegt die Stadt am Fuße des Rhodopa Gebirges und ist daher der ideale Ausgangspunkt für Fahrten in die bekanntesten bulgarischen Skigebiete.
Ivan Karnabitov, Marketing Direktor des Flughafens bot mir anlässlich eines Besuches die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen des Flughafens zu werfen.
Im Jahr 1981 wurde der Flughafen von Plovdiv an seiner heutigen Stelle eröffnet.
Dieser liegt 20km südwestlich des Stadtzentrums und ist mit dem Pkw innerhalb von 20 Minuten gut zu erreichen.
Bis zur Mitte der 70er Jahre war Plovdiv durch Linienflüge der Balkan Airlines an das internationale Streckennetz der Airline ganzjährig angebunden.
Dank staatlicher Unterstützung wurden damals Inlandsflüge nach Varna, Burgas und Russe angeboten, selbst das nur 130km entfernte Sofia wurde ins Streckennetz aufgenommen.
Heute wird der Flughafen von Plovdiv vor allem während der Wintersaison angeflogen.
Zwischen Dezember und April jedes Jahres landen zahlreiche Charterflüge aus Russland, Dänemark, Irland und England, um ihre Passagiere in die nahe gelegenen Skigebiete von Pamporovo, Borovetz oder Bankso zu transportieren.
Zu den Stammgästen während der Wintersaison zählen die Airlines S7, VIM, GloBus, Ukraine International, KMV, Thomsonfly, BMI, Thomas Cook, CSA sowie natürlich auch die bulgarischen Fluggesellschaften BH Air, Bulgarian Air Charter undBulgaria Air.
Während der ruhigen Sommersaison kommen einige militärische Flüge, Einzelcharter und Businessjets nach Plovdiv.
Willkommene Gäste im heurigen Jahr waren ein in Österreich registrierter Global Jet BBJ2 (OE-ILX), eine Ryan International B 763 , Sun D Or & North American B 757, sowie ein Omni Air DC-10-30 Flug.
Seit die Europäische Union den Betrieb von Antonov 12 Flugzeugen verbot, welche gerade bei bulgarischen Airlines besonders beliebt waren, hat sich die Zahl der Frachtflüge nach Plovdiv deutlich verringert.
Die Landung einer Polet An-124 im Jänner, sowie eines Volga-Dnepr An-124 Frachtfluges im Oktober, waren die Höhepunkte des heurigen Jahres in diesem Segment.
Nach einigen erfolgreichen Jahren mit stetig wachsenden Passagierzahlen, musste im vergangenen Jahr erstmals ein Passagierrückgang verzeichnet werden.
Waren im Jahr 2007 noch insgesamt 104.130 Passagiere nach Plovdiv geflogen, wurden im vergangenen Jahr nur noch 61.276 Passagiere gezählt.
Ein großer Teil der abgefertigten Passagiere landet während der Wintersaison, so dass der Flugbetrieb während der Sommermonate nur sehr gering ist.
Ein neuer Terminal innerhalb von nur vier Monaten!
Gerade in der starken Wintersaison war der bestehende und viel zu klein dimensionierte alte Terminal, oft hoffnungslos überlastet.
Im letzten Juli wurde in Bulgarien eine neue Regierung gewählt.
Die alte und nunmehr abgewählte Regierung beschloss ein Prestigeprojekt noch vor den Wahlen fertig zustellen. Den Bau eines neuen Flughafenterminals in Plovdiv!
Was man in Westeuropa für unmöglich hält, wurde in Bulgarien realisiert.
Innerhalb von nur vier Monaten wurde der neue Terminal geplant, gebaut und Schlüsselfertig am 1. Juli 2009 an den Betreiber übergeben!
Der Umzug vom alten zum neuen Passagierterminal wurde in den folgenden Wochen realisiert und seit dem 1. August 2009 ist der neue Terminal voll im Betrieb.
Als erstes Flugzeug landete an diesem Tag eine Bulgarien Air Charter MD-83, welche von der Flughafen Feuerwehr mit einer Wasserfontäne willkommen geheißen wurde.
Auf 6750m ² Grundfläche wurde ein großzügiger Terminal mit 10 Check-In Schaltern samt Andachtsraum und großzügigem Wartebereichen erschaffen.
Eine moderne lichtdurchflutende Konstruktion hilft dem Flughafen Stromkosten zu sparen.
In großzügigen Abflugbereichen, die bereits die Trennung von Schengen und Non-Schengen Flügen erlauben, stehen Sitzplätze, Wickelräume und Toiletten zur Verfügung.
Die Gepäcksabfertigungsanlage ist auf 500 Gepäcksstücke pro Stunde ausgelegt und durchleuchtet alle Stücke zu 100%.
Während der Wintersaison eröffnen im Terminalbereich, Leihwagenfirmen, Lokale und Duty Free Shops ihre Pforten.
Um den zusätzlichen Verkehr im Winter abwickeln zu können, werden die 108 fest angestellten Flughafen Mitarbeiter durch Saisonkräfte unterstützt.
Weiters sind die Einrichtungen im neuen Terminal behindertengerecht gebaut worden.
Die Baukosten für das Terminalprojekt betrugen € 10 Millionen, in die vorfeldseitige Infrastruktur wurden weitere € 10 Millionen investiert.
Neben der bereits vorhandenen Piste mit 2500 Meter Länge (CAT I), wurden 6 neue Abstellpositionen (insgesamt 14) errichtet.
Die Mitarbeiter sorgen dafür, dass der Flughafen von Plovdiv einen 24-Stunden Betrieb ganzjährig garantieren kann.
In der Vergangenheit wurde Plovdiv vor allem als Ausweichflughafen für Sofia bei den Piloten bekannt.
Auch Austrian Airlines nutzte in der Vergangenheit die Möglichkeit, bei Schlechtwetter nach Plovdiv auszuweichen.
Während die nahe gelegene bulgarische Hauptstadt während der Herbst- und Wintermonate regelmäßig in dichten Nebel gehüllt ist, bietet Plovdiv ganzjährig gutes Flugwetter.
Die unerwarteten Ausweichlandungen der vergangenen Jahre, waren für den Flughafen eine willkommene Zusatzeinnahme.
Auf der Suche nach Passagieren und Airlines
Während sich der Flughafen während der Wintermonate über eine gewisse Grundauslastung freuen kann, ist der neu gebaute Terminal während der Sommermonate fast menschenleer!
Wichtigstes Ziel für das Flughafenmanagement ist es daher, eine Linienfluggesellschaft nach Plovdiv zu bringen.
Kein leichtes Unterfangen, wie Ivan Karnabitov erklärt.
Hat die allgemeine Wirtschaftskrise doch auch Bulgarien erfasst!
In den vergangenen Jahren haben Low Cost Airlines aber erkannt, dass Bulgarien durchaus eine lohnenswerte Destination sein kann.
So wäre es auch im Interesse des Flughafens, eine der großen Low Cost Airlines nach Plovdiv zu locken.
„Ryanair als erste Linienfluggesellschaft nach London zu gewinnen, wäre von großem Interesse für den Flughafen von Plovdiv““, so Ivan Karnabitov.
Ryanair, die bisher noch keine Flüge nach Bulgarien anbietet, wäre durchaus bereit, Flüge nach Plovdiv aufzunehmen.
Die Forderungen der irischen Fluggesellschaft nach finanzieller Unterstützung für die Aufnahme von Flügen nach Plovdiv, stellen für den Flughafen aber ein scheinbar unüberwindbares Hindernis dar.
Während auf den meisten Ryanair Destinationen Wirtschafts- oder Tourismus Organisationen das geforderte Geld aufstellen, ist es in Plovdiv bisher nicht gelungen einen gemeinsamen Weg zu gehen.
In der Region Plovdiv sind die Interessenvertretungen der Unternehmer und Wirtschaftstreibenden noch zu wenig vernetzt, um dieses Anliegen des Flughafens gemeinsam umzusetzen.
Nutznießer solcher Verbindungen wäre nicht nur der Flughafen, sondern vor allem die regionale Wirtschaft, die Interesse an solchen Flügen naturgemäß haben sollte. Mit einem Einzugsgebiet von knapp 4 Millionen Einwohnern (inkl. Sofia), sollte es eigentlich keine Probleme geben, die Flüge ab Plovdiv zu füllen!
Es bleibt daher abzuwarten, ob sich Investoren oder eine Airline finden, die zukünftig den leer stehenden Terminal auch während der Sommermonate mit Leben füllen?
Für das Zustandekommen dieses Berichtes bedanke ich mich recht herzlich bei Ivan Karnabitov (Commercial & Marketing Manager Plovdiv Airport) und Chavdar Gartchev (bgspotters.net).
Martin Dichler