TIA: Albaniens Tor zur Welt

Sanfte Musik hallt durch den Terminal des nach der berühmtesten Frau des Landes benannten Mutter Theresa International Airport in Tirana. Es ist kurz vor Weihnachten, als ich nach der Landung des Wizz Air Erstfluges W6 2881 von Wien kommend durch den Terminal streife, während ein junger Musiker am Piano sein Talent unter Beweis stellt. „Die Passagiere sollen den Stress der Anreise hinter sich lassen und möglichst entspannt in den wohl verdienten Urlaub starten“, erklärt mir Arlinda Causholli, die Pressesprecherin des Flughafens bei einem Rundgang. Und die musikalische Unterhaltung der Fluggäste hinterlässt tatsächlich ihre Spuren, Passagiere die sich zum Check-In begeben, wippen im Takt der Musik und singen bei dem einen oder anderen Song sogar leise mit…

Szenenwechsel: Die ungarische Billigfluglinie WIZZ AIR hat Mitte Dezember ihr Streckennetz ab dem Flughafen Wien ausgebaut und insgesamt neun neue Destinationen aufgenommen. Immer mehr der 42 Verbindungen ab Wien zielen auf Destinationen ab, die einst die „Cashcow“ von Austrian Airlines waren. Tirana, Pristina, Chisinau, Ohrid, Kiev, Kharkiv, Tuzla oder Yerevan, sind nur einige jener südosteuropäischen Strecken, auf denen Austrian bislang meist ohne namhafte Konkurrenz gutes Geld verdiente. Mit dem Einstieg von Wizz Air auf diesen Routen erhöht sich nun der Druck auf die Lufthansa Tochter beträchtlich, den Tarife von jenseits der € 500.- Marke sind seit dem Wizz Air Einstieg, nicht mehr länger am Markt vertretbar. Als Resultat dessen, rasseln die Preise in den Keller wie ein Online Preisvergleich für Flüge zwischen Wien und Tirana (5-7.März) zeigt. Während Austrian Airlines seine Handgepäckstarife auf günstige € 119.- heruntergeschraubt hat, bietet Wizz Air Tickets bereits um unter € 30.- (beide Ticketvarianten jeweils mit Handgepäck retour) an. Diese Kampfpreise sorgen für eine starke Nachfrage auf der Strecke und so mancher Albaner, der bislang per Bus oder Pkw gereist ist, steigt nun auf das wesentlich bequemere Flugzeug als Transportmittel um.

Die Geschichte der Tirana – Wien (VIE) Verbindung geht bereits auf das Jahr 1993 zurück, als Austrian Airlines erstmals eine Direktverbindung in die albanische Hauptstadt anbot. Aufgrund der hohen Beliebtheit gerade auch wegen des Umsteigeverkehrs in Richtung Nordamerika, rangiert die Destination VIE im Passagierranking des Flughafen Tirana (TIA) bislang schon auf Platz vier (170.534) unter allen angebotenen Destinationen. Mit den drei neuen wöchentlichen Wizz Air Verbindungen, wird die geschichtsträchtige Strecke zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen da erstmals Billigflugtarife auf der Strecke zur Verfügung stehen.

Schon der Wizz Air Erstflug am 19.Dezember bestätigte einmal mehr eindrucksvoll, welche Auswirkungen niedrige Flugtarife auf das Reiseverhalten der Menschen haben. Wie fast schon bei allen Wizz Air Flügen üblich, war auch dieser A321 der Fluggesellschaft mit 230 Fluggästen bis auf den letzten Platz ausgebucht und die Crew hatte alle Hände voll zu tun, um die Passagiere pünktlich zum Start der Weihnachtsferien in die Heimat zu befördern.

Viele der Passagiere dürften Erstkunden oder besser gesagt – Erstflieger- gewesen sein, denn so manche Bestimmungen wie in etwa die max. Handgepäcksgröße oder der Ablauf beim Boarding, dürften für so manchen Passagier neu gewesen sein was zu einem leicht verspäteten Abflug in Wien führte. Doch die motivierte Wizz Crew bestehend aus einem internationalen Mix aus Luftfahrtprofis gab auf dem kurzen Flug ihr Bestes, um die kleine Verspätung wieder wett zu machen, weshalb Flug W6 2881 kurze Zeit später fast pünktlich in Tirana landete und mit einer Wasserfontäne der Flughafenfeuerwehr begrüßt wurde. Wie bei diesen Anlässen üblich, begrüßte das TIA Flughafenmanagement, vertreten durch Geschäftsführer Dr. Constantin von Alvensleben und COO Volker Wendefeuer die ersten Passagiere nach der Landung persönlich am Vorfeld.

Das erfahrene deutsche Vorstandsduo kann bereits auf eine langjährige Erfahrung in Albanien zurückblicken und stand nicht zum ersten Mal für einen Erstflug bereit. Bereits vor mehr als zehn Jahren waren die beiden erfahrenen Flughafenmanager vom früheren Betreiber TAP – Tirana Airport Partners – , ein Konsortium bestehend aus den Unternehmen HOCHTIEF AirPort, DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft und dem Albanian-American Enterprise Fund in ihre Funktion bestellt worden. Nach einer mehrjährigen Unterbrechung wurde nun das frühere Vorstandsduo vom neuen Flughafenbetreiber China Everbright Limited (CEL), einer internationalen Investmentfirma mit Sitz in Hongkong die im Jahr 2016 den Konzession Vertrag von TAP übernahm, wieder in den Vorstand des Flughafens berufen.

TIA im Aufwind:

Für den Flughafen endete mit der Aufnahme der neuen Wizz Air Direktverbindung nach Wien, ein erfolgreiches, wenn auch turbulentes Jahr in seiner inzwischen mehr als 60-jährigen Geschichte.

Zwischen 1955 und 1957 wurde der Flughafen nahe des Ortes Rinas, 17 km nördlich der Hauptstadt Tirana erbaut und bis in die 60er Jahre hinein von den Fluglinien Aeroflot, JAT, Malev, Tarom und Interflug regelmäßig bedient. Zwischen 1960 und 1978 brach der Flugverkehr am TIA drastisch ein, nachdem der damalige Machthaber Enver Hoxha mit dem Kommunisten politisch brach und sein Land in eine langjährige Isolation führte. Erst mit Beginn der politischen Veränderungen der neunziger Jahre fand Albanien wieder Anschluss an den internationalen Flugverkehr.

Nachdem zahlreiche Investitionen in die Infrastruktur des Flughafens zu tätigen waren, entschloss sich im Jahr 2005 die albanische Regierung dazu, den Betrieb und die Modernisierung des Flughafens einem privaten Betreiber anzuvertrauen. Bereits in den ersten zwei Jahren wurden von TAP Investitionen in der Höhe von 50 Millionen Euro in den Bau eines neuen Zufahrtstraßensystems sowie eines neuen Flughafenterminals getätigt. Im Jahr 2007 wurde in einer großen Feier der neue, vom malaysischen Architekten Hin Tan entworfene Terminal offiziell seiner Bestimmung übergeben. Mit seiner hellen und lichtdurchfluteten Architektur bietet der kleine, aber feine Terminal alles, was ein moderner Flughafen heute benötigt. Erst im Mai des vergangenen Jahres wurde ein modernes e-gate Zutrittssystem installiert, bei dem die biometrischen Daten der Passagiere gelesen werden und mittels gültiger Bordkarte der Zutritt in den Abflugs Bereich gewährt wird. Der Terminal verfügt über sechs Gates, eine moderne Shoppingfläche, zahlreiche Gastronomiebetriebe sowie einer überaus charmanten Business Lounge. Die als „Air Lounge“ bezeichnete Einrichtung befindet sich im ersten Stock nach der Sicherheitskontrolle und bietet auch Gästen, die kein Business Class Ticket besitzen, gegen eine Gebühr von € 15.- die Möglichkeit diese zu nutzen.

Bei der Planung des Terminals hatte man das neue Gebäude für eine maximale Kapazität von bis zu drei Millionen Passagieren ausgelegt. Die Passagierentwicklung ging aber wesentlich rasanter von sich als zunächst angenommen, wie ein Blick auf die jüngsten Statistiken zeigt. Wurden im Jahr 2005 nur 785.000 Passagiere abgefertigt, so konnten 2019 bereits mehr als drei Millionen Passagiere am Flughafen TIA begrüßt werden. Im Gespräch mit Martin Dichler blickt Dr. Constantin von Alvensleben zufrieden auf die vergangenen Jahre zurück: „Zu dem Zeitpunkt als wir den neuen Terminal im März 2007 in Betrieb genommen haben, hatten wir eine Verkehrsprognose, die wir inzwischen stark übertroffen haben. Gerade in den letzten drei bis vier Jahren ist der Verkehr hier am Westbalkan ja besonders stark angestiegen“.

Die Gründe für das Wachstum sind vielfältig! So konnte die albanische Wirtschaft in den letzten Jahren ein starkes Plus verzeichnen, Motor dieser Entwicklung ist der wachsende Tourismus des Landes. Albanien gilt bis heute noch als ein touristisch unentdecktes Land, doch die Zeit bleibt nicht stehen und immer mehr Westeuropäer strömen interessiert in das Land, weshalb im Jahr 2018 die Zahl der internationalen Besucher um 16% auf 5,9 Millionen Gäste anstieg. Dieses Interesse spiegelt sich naturgemäß auch im Passagierzuwachs (2017: +19,8% / 2018: +12%) des Flughafen TIA wider. Auch wenn die Verkehrszahlen von 2019 bislang noch nicht veröffentlicht wurden, so geht Dr. Constantin von Alvensleben von einem neuerlichen Passagierzuwachs von mehr als 13% aus.

Die Passagierzuwächse fanden in den letzten Jahre in allen Bereichen statt. So stieg das Charteraufkommen zwischen Juni und September 2019 um mehr als 50% an, während gleichzeitig die Zahl der Direktverbindungen der Netzwerk Carrier, als auch der Low Coster stark ausgebaut werden konnten. Neben den beiden am TIA beheimateten albanischen Fluglinien Albawings und der Turkish Airlines Tochter Air Albania, haben vor allem die Billigflieger den Flughafen TIA für sich neu entdeckt. Im Jahr 2019 wurden neue Strecken von Air Albania (Rom, Mailand, Bologna), Alba Wings (Dortmund) oder Wizz Air (Memmingen, Wien) aufgenommen, gleichzeitig hat die englische Fluggesellschaft Easyjet ab 28 November mit den Anflug von Mailand und Genf begonnen. Ab 1.Mai 2020 startet Easyjet zusätzlich mit einer weiteren Verbindung nach London-Gatwick während Albawings mit Direktflügen nach Frankfurt und Hamburg beginnt. Auch die polnische LOT nimmt Tirana ab dem 13.Juni in ihr Streckennetz auf während Norwegian Airlines im selben Monat eine wöchentliche Direktverbindung nach Helsinki beginnt. Nachdem die albanisch/italienische Ernest Airways im Jänner den Flugbetrieb einstellen musste, übernahm Wizz Air die Verbindungen in Richtung Italien (Pisa, Bologna, Mailand, Verona, Venedig). Neben den stärker werdenden Billigfluglinien sind auch die Netzwerkfluglinien wie die Lufthansa Gruppe stark am Flughafen TIA vertreten. Mit etwas mehr als 290.000 Fluggästen pro Jahr halten Austrian Airlines (Wien) und Lufthansa (Frankfurt) etwas mehr als neun Prozent Marktanteil.

Aktuell erfreut sich der Flughafen Wien als Umsteigehub gerade bei den Geschäftsfliegern größter Beliebtheit: „Wien hat eine sehr große Bedeutung, ich würde sogar sagen, dass für den mittel- und westeuropäischen Verkehr der Hub Wien nicht zu schlagen ist. Mit den sehr guten Tagesrandzeiten der Austrian Airlines ist der Hub meiner Meinung nach für den Geschäftsreisenden sogar wichtiger als Frankfurt! Wir sind sehr glücklich das wir eine Anbindung an die beiden LH Hubs in Wien und Frankfurt haben, hätten aber auch nichts dagegen, wenn wir noch München dazu bekommen würden“, so Dr. Constantin von Alvensleben.

Corona Krise:

Zum Jahreswechsel noch ging das gesamte TIA Management von einem starken Wachstum im Jahr 2020 aus. Wie jedoch inzwischen alle Flughäfen weltweit, wurde auch der Flughafen TIA von der Covid-19 Epidemie im März hart getroffen, wie Dr. Constantin von Alvensleben in einer Aussendung erklärt: „Für den Flughafen Nene Teresa ist dies eine Situation, die es bisher noch nicht gegeben hat. Noch vor Wochen waren wir mit 65 Turnarounds pro Tag an der Grenze unserer Kapazität. Jetzt haben wir gerade einmal einen oder zwei Flüge täglich. Die Krise trifft nicht nur für die Passagiere, sondern die gesamte Flughafengemeinschaft, wie die 600 Mitarbeiter von TIA, die zwanzig hier operierenden Fluggesellschaften, die Betreiber von Cafés und Geschäften und unsere Dienstleister. Niemand von uns hat bisher eine solche Verkehrsschwäche erlebt. Und niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis das Virus verschwindet und das Verkehrsaufkommen wieder auf den Stand von früher gebracht wird.

In dieser Situation gibt es nur eine Lösung: so gut wie möglich zusammenzuarbeiten, um die Pandemie zu überwinden, und dann an der Wiederherstellung des Flugverkehrs zu arbeiten. Wir haben ein hervorragendes Team hier am Flughafen, es ist eine Gemeinschaft, die zusammenhält. Wir werden zusammenbleiben, bis es vorbei ist! Und dann arbeiten wir daran, gestärkt zurückzukehren.

In der Zwischenzeit wird unser Flughafen nicht geschlossen werden. Wir haben täglich einen Passagierflug mit Air Albania nach Istanbul, wir haben Frachtflüge, und wir bleiben offen und einsatzbereit für alle anderen Flüge, die in dieser Situation benötigt werden. Wir sind für Sie und für Albanien da. Bleiben Sie sicher und gesund!“

Fit for future

Um für die Zukunft nach Covid-19 Krise gerüstet zu sein, investiert der chinesische Flughafenbetreiber CEL derzeit einen zweistelligen Euro Millionenbetrag in den Ausbau seiner Flughafeninfrastruktur. Noch vor dem Jahreswechsel 2019/20 wurde das Projekt „Airfield 2020“ in Angriff genommen, bei dem die bestehenden Rollwege auf einer Länge von 1,5km erneuert, ein neues Lichtsystem installiert und zusätzliche Parkpositionen geschaffen werden. Weiters arbeitet man bereits an den Plänen zur Runderneuerung der 2750×45 Meter langen Piste. Auch der im Jahr 2007 in Betrieb genommene Terminal kommt zu manchen Spitzenzeiten bereits an seine Kapazitätsgrenzen, weshalb auch hier an einen Ausbau gedacht wird: „Im Terminal sind wir an manchen Spitzen schon an der Kapazitätsgrenze angelangt, weshalb wir nun mit den konkreten Planungen für einen weiteren Terminalausbau beginnen, dessen Baustart in den nächsten zwei bis drei Jahren beginnen könnte“, so Alvensleben.

Aktuell beschäftigen den Flughafen Tirana und ganz Albanien aber auch noch ganz andere Sorgen. Am 26 November des vergangenen Jahres­ wurde Albanien von einem schweren Erdbeben der Stärke 6,2 heimgesucht, bei dem 52 Menschen ums Leben kamen und mehrere tausende Albaner obdachlos wurden. Das Epizentrum des Erdbebens lag nahe der Küstenstadt Durres, nur etwas mehr als 30 km vom Flughafen Tirana entfernt. Im Gegensatz zu so manchen historischen Gebäude in Durres, erlitt der Flughafen TIA keine strukturellen Schäden, weshalb nach einem kurzen Moment des Schocks, der reguläre Flugbetrieb ungestört weitergeführt werden konnte. Bereits 12 Stunden nach dem Erdbeben landeten die ersten Hilfsflüge aus dem benachbarten Ausland am Flughafen TIA. In den darauffolgenden Tagen wurden täglich zwischen sieben und zehn Hilfsflüge mit Suchmannschaften und schweren Gerät abgefertigt. Unter den Mitarbeitern des Flughafens bildete sich ein Freiwilligenchor unter der Leitung von Pressesprecherin Arlinda Causholli, dessen Truppe bereits am Tag nach der Katastrophe, Hilfsmittel im Wert von € 23.000.- direkt vor Ort an die betroffene Bevölkerung verteilte. Dem nicht genug, setzte das Unternehmen mit einer großzügigen Spende von einer Million Euro, ein wichtiges Zeichen für die Unterstützung der lokalen Bevölkerung.

Martin Dichler

www.myviennaairport.at

Hinweis:

Dieser Artikel wurde bereits im Februar des heurigen Jahres verfasst und aufgrund der Corona Krise leicht abgeändert. Feedback bitte an: myviennaairport@gmx.at

https://www.youtube.com/watch?v=aEhaFj16AgQ

www.tirana-airport.com

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